DER TRAUERNDE BLICK

Martin Gusindes Fotos der Yagan, Selk’nam und Kaweskar

In der aktuellen Ausstellung „Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten“ befasst sich das Team um Ausstellungskurator Matthias Claudius Hofmann auch mit den komplexen Trauerbemalungen der Indigenen Feuerlands, insbesondere der Yagan, Selk’nam und Kaweskar. Anhand der Fotografien des deutschen Missionars Martin Gusinde, der diese zwischen den Jahren 1918-1924 anfertigte, wird ein Teilaspekt der Kultur der Indigenen Feuerlands näher beleuchtet. Diese Fotografien entstanden zu einem Zeitpunkt an dem der Genozid an den Yagan, Selk’nam und Kaweskar durch Goldsucher, Schafzüchter und eingeschleppte Krankheiten bereits fortgeschritten war, so dass die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit der Ethnien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Erliegen kam.

Die Muster der Trauerbemalungen aus Blut, Kalk, Ocker, Ruß bzw, Asche und zermahlenen Knochen wurden auf das Gesicht aufgetragen und gaben Aufschluss über die Verwandtschaftsverhältnisse zur verstorbenen Person, sowie über die Art und Weise wie die verstorbene Person zu Tode gekommen ist, z.B. durch einen Absturz von einem Felsen. Die senkrechten Streifen und Punkte symbolisieren die Tränen der Trauernde für den Verstorbenen.


Ausstellungsansicht „Grüner Himmel, Blaues Gras. Farben ordnen Welten“


Im Rahmen des Ausstellungsvorhabens „150 Jahre Fotografie“ beteiligte sich das Weltkulturen Museum (zu diesem Zeitpunkt noch Museum für Völkerkunde) im Jahr 1989 mit einer Ausstellung zu den Fotografien Martin Gusindes. In diesem Zusammenhang erschien die Publikation „Der trauernde Blick: Martin Gusindes Fotos der letzten Feuerland-Indianer“*. Aus den dem Museum vorliegenden etwa tausend, zum Großteil recht gut erhaltenen Negativen Gusindes stellte Anne Brüggemann, die Autorin der Publikation, eine Auswahl von Fotografien zusammen die Mithilfe der Publikationen und des Nachlasses von Marin Gusinde nachträglich identifiziert und beschrieben werden konnten.

Nach einer kurzen Einführung zur Heimat der Indigenen Feuerlands gibt die Autorin Einblicke über die wichtigsten Zeugnisse der Entdeckungs- und Forschungsgeschichte beginnend im 16. Jahrhundert bis zu Gusindes Reisen von 1918-1924. Darauf folgt eine kurze Abhandlung zu Gusindes Feuerland-Publikationen und der Ethnographie der Indigenen. Anschließend befasst sich die Autorin mit einzelnen Aspekten der Kultur der Indigenen, wie Heirat, Ehe und Familienleben, verschiedene Zeremonien und Rituale wie die Jugendweihe. Auch die Gräueltaten der Goldsucher und Schafzüchter, denen die Indigenen Feuerlands zum Opfer fielen werden in der Publikation thematisiert.

Die Fotografien Gusindes waren keine Schnappschüsse, also Fotografien die ohne das Wissen der dargestellten Personen angefertigt wurden, vielmehr ließen sich die Indigenen Feuerlands so ablichten, wie sie den Betrachtern erscheinen wollten.

Obgleich die Fotografien Martin Gusindes somit sicherlich ein subjektives Zeitdokument sind, gehören sie heute zu den wichtigsten Zeugnissen über die Kultur der Yagan, Selk’nam und Kaweskar.

Text: Oliver Hahn, wissenschaftlicher Volontär Ozeanien

„Der trauernde Blick: Martin Gusindes Fotos der letzten Feuerland-Indianer“ von Anne Brüggemann aus dem Jahr 1989,  kann aktuell in der Ausstellung „Grüner Himmel, Blaues Gras" erworben werden oder hier bestellt werden.



*Der im Titel verwendete Begriff „Feuerland-Indianer“ wird heute nicht mehr verwendet, schien aber im Erscheinungsjahr des Kataloges noch unproblematisch. Da er im Titel des Kataloges enthalten ist, wird er hier genannt. Heute würde man stattdessen „Indigene Bevölkerung Feuerlands“ verwenden.