LICHT UND SCHATTEN - WIE FARBEN VERBLASSEN
Die Restauratorinnen Mareike Mehlis und Kristina Werner geben Einblick in die Wirkung von Licht auf Museumssobjekte
Licht ist schon faszinierend. Einerseits ist es essenziell, damit der Mensch überhaupt Farben sehen kann, andererseits hat es auch die Energie Farben zu zerstören. So scheint mit einer Tasche aus Afrika auf den ersten Blick alles in Ordnung zu sein. Sie wurde aus braunem Leder hergestellt und mit bunten Stickereien verziert.
Ledertasche. Afrika. Provenienz nicht dokumentiert. Leder, Wolle, Baumwollgarn, Eisen. Geschenk von Joachim Gockeln, 2010. Foto: Wolfgang Günzel
Erst beim Öffnen der Tasche erlebt man sein blaues (oder vielmehr rotes) Wunder: Unter der Abdeckung ist das Leder leuchtend rot. Das gesamte braune Leder war einmal rot gefärbt. Diese Färbung ist aber durch den Lichteinfluss im Laufe der Zeit verloren gegangen und blieb nur in verdeckten - lichtgeschützten - Bereichen erhalten. Aber wie konnte es dazu kommen?
Grundlegend hierfür sind Lichtwellen, die auch das Prinzip des Sehens bestimmen. Das sichtbare Licht trifft dabei in unterschiedlichen Wellenlängen auf eine Oberfläche und je nachdem welche Wellenlängen reflektiert werden, erscheint vor unserem Auge eine bestimmte Farbe. In diesem Fall absorbiert das rote Leder Strahlen von jeder Wellenlänge, mit Ausnahme derer, die der Farbe Rot entsprechen. Diese Wellen werden reflektiert und vom Auge als Rot wahrgenommen. Wenn ein Gegenstand weiß ist, bedeutet das, dass er das gesamte Licht reflektiert hat. Schwarze Gegenstände hingegen absorbieren alle Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Bei der Zerstörung von Farben spielen die unterschiedlichen Wellenlängen eine wichtige Rolle. Kurzwellige Strahlung (unsichtbare UV-Strahlung und violettes Licht) ist energiereich und daher schädigender als langwellige Strahlung (unsichtbare Infrarot-Strahlung und rotes Licht). Daher sind von der Zerstörung durch Licht vor allem die Farben betroffen, die das schwächere rote Licht reflektieren und das energiereiche violette Licht absorbieren. Deshalb bleicht auch zuerst Rot und Grün und zuletzt Blau aus.
Bei der ehemals roten Tasche hat ebendiese Energie zu einer Anregung der roten Farbstoffmoleküle geführt. Diese konnten dadurch chemische Reaktionen mit Substanzen aus der Luft eingehen. Dabei wurden chemische Bindungen in den Farbstoffmolekülen zerstört und deren ganze Struktur verändert, sodass vornehmlich Stoffe entstanden sind, die ihre Fähigkeit verloren haben, Licht sowohl zu absorbieren als auch zu reflektieren und uns daher transparent erscheinen.
Generell sind Lichtschäden am Beginn der Beleuchtung eines Gegenstandes deutlich größer und nehmen mit fortschreitender Beleuchtung ab. Gefährdet sind deswegen v. a. Objekte, die noch nie ausgestellt wurden. Hierunter fallen beispielsweise auch Buchmalereien, da sie immer unbelichtet und damit geschützt sind, wenn das Buch geschlossen ist. Wird so eine Malerei ausgestellt, ist die Gefahr von Lichtschäden sehr groß.
Gleiches gilt für die afrikanische Ledertasche: Würde sie geöffnet ausgestellt werden, wäre eine Veränderung der letzten roten Farbbereiche in kurzer Zeit zu erwarten.
Da es nicht möglich ist, mit restauratorischen und konservatorischen Mitteln die ursprüngliche Farbgebung eines ausgebleichten Objektes wiederherzustellen, ist es Aufgabe von Restaurator*innen, durch geeignete Maßnahmen eine Lichtschädigung der Objekte von vornherein zu verhindern.
Bio
Mareike Mehlis, Restauratorin, hat an der Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart „Konservierung und Restaurierung von archäologischen, ethnologischen und kunsthandwerklichen Objekten“ studiert und schloss mit dem Diplom ab. Kristina Werner, Restauratorin, hat am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft der TH Köln „Restaurierung und Konservierung von Objekten aus Holz und Werkstoffen der Moderne“ studiert und schloss mit dem Master ab.
Dieser Artikel erschien in der Weltkulturen News 04 "Farbenfroh" (April bis September 2021).
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