STARKE STIMMEN
Ein Gespräch über das „Places to see“ Labor-Projekt mit dem Kone-Netzwerk e.V.
Im Rahmen der Ausstellung „Invisible Inventories. Zur Kritik kenianischer Sammlungen in westlichen Museen“, die von Oktober 2021 bis Anfang Januar 2022 im Weltkulturen Museum zu sehen war, findet derzeit ein mehrmonatiges „Places to see“ LABOR-Projekt mit dem Kone-Netzwerk e.V. und dem Weltkulturen Museum statt. In Führungen, Kinder- und Erwachsenenworkshops sowie einem Depotbesuch setzen sich Frauen und Kinder aus der Afrikanischen Diaspora mit der Ausstellung „Invisible Inventories“ und dem Thema „Restitution“ auseinander. „Places to see“ ist ein gemeinsames Kulturprojekt von Museen, Palmengarten und Zoo und dem Kulturdezernat der Stadt Frankfurt. Das Interview mit Mitgliedern des Kone-Netzwerks e. V. führte Julia Albrecht, die das Projekt von Seiten der Weltkulturen Vermittlung betreut.
JULIA ALBRECHT: Könnt Ihr mir kurz über Euer Engagement bei Kone-Netzwerk e. V. erzählen?
SANDRINE NRAYE-KPOUMIE: Mein Engagement hat im Teenager-Alter mit Kinderbetreuung im Verein begonnen. Später beteiligte ich mich bei der Ausarbeitung von Programmkonzepten für Kinder- und Jugendliche. Insbesondere die Themen Empowerment und kulturelle Identitätsstärkung haben dabei eine tragende Rolle gespielt. Wir haben u.a. Kultursalons, Dialog-Plattformen für Schwarze Jugendliche geschaffen, afrikanische Kinder- und Jugendfestivals, sowie Anti-Rassismus-Workshops u.a. organisiert. Seit 2019 hat sich mein Engagement auf den Bereich Vereinsentwicklung erweitert. Es geht dabei um die Professionalisierung und Restrukturierung des Vereins.
BETELIHEM (BETI) FISSHAYE: Mein Zugang zu Kone-Netzwerk e.V habe ich durch Charlotte Njikoufon (Mitbegründerin und Vorstandsmitglied) gefunden. Charlotte und ich haben uns über ein Projekt kennengelernt, in dessen Rahmen wir dekoloniale, panafrikanische und feministische Perspektiven geteilt haben. Durch die Zusammenarbeit im Team habe ich für mich eine zusätzliche Community aufbauen können, in der im wahrsten Sinne des Wortes Kone/Solidarität gelebt wird.
GABRIELA MAYUNGU: Seit meiner ersten Begegnung mit Charlotte Njikoufon und Sandrine Nraye-Kpoumie verstand ich mich als “Kone-nahe-Person”. 2019 haben wir gemeinsam die Empowerment-Veranstaltung gegen Rassismus und Gewalt für Kinder- und Jugendliche veranstaltet. Dort nahm ich als Referentin teil. Seit dem vergangenen Jahr bin ich Mitglied bei Kone e.V. und gemeinsam mit meinen Kolleginnen im „Places to see“ LABOR-Projekt involviert.
JA: Was macht das „Places to see“ LABOR-Projekt mit dem Weltkulturen Museum für Euch besonders interessant?
SN-K: Ich finde es toll, dass wir als Verein die Gelegenheit bekommen, gemeinsam mit dem Weltkulturen Museum und „Places to see“ auf Augenhöhe zu kooperieren. Uns werden in der Zusammenarbeit sehr viel Freiraum und Vertrauen entgegengebracht. Die Ausstellung und das Thema der Restitution zeigen die Mehrdimensionalität der Folgen des Kolonialismus und Postkolonialismus auf. Die Thematik schlägt die Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart.
GM: Dem kann ich mich nur anschließen. Das Projekt ermöglicht uns und den Teilnehmer*innen sich mit dem postkolonialen Erbe auseinanderzusetzen und unsere lokale Kulturlandschaft in den Blick zu nehmen. Die bereitgestellten Rahmenbedingungen, wie bspw. Kinderbetreuung, ermöglichen auch den Frauen die Projektteilnahme, die in ihrem Alltag nur wenig Kapazitäten haben ins Museum zu gehen und solche Angebote wahrzunehmen.
BF: Ich sehe das auch so. Ein paar Barrieren wurden bereits überwunden. Eigentlich sollten diese Barrieren gar nicht erst existieren. Besonders finde ich auch, wie wir dieses Projekt, durch die Freiheit, die wir haben, zu unserem Projekt machen können. Nicht die Perspektiven des Museums stehen im Fokus, sondern unsere Perspektiven und das Wissen und die Erfahrung der Teilnehmerinnen. Wobei auch die Ausstellung an sich unterstützend war, da diese selbst Wissen und Perspektiven aus dem Afrikanischen Kontinent repräsentierte.
JA: An welchen musealen Aufgabenbereichen wart Ihr bislang beteiligt?
SN-K: Meine Aufgabe lag in der Durchführung einer Online-Führung durch die Ausstellung mit anschließender Diskussionsrunde. Ansonsten habe ich mit einigen Vereinsfrauen, dem Weltkulturen Museum und der Projektkoordinatorin von „Places to see“ an der Konzeption der Aktivitäten für unsere Community mitgewirkt und die Kommunikation zwischen dem Verein und unseren Kooperationspartnern übernommen.
BF: Konzeptionell und als Vermittlerin im Museum.
GM: Ja, das trifft auf mich auch zu.
JA: Wie war es für Euch, die Vermittlungsrolle zu übernehmen?
SN-K: Es war empowernd sowohl für die Teilnehmerinnen als auch für mich in einem bzw. für ein städtisches Museum die Vermittlungsrolle zu übernehmen. Dieses Setting ist selten gegeben. Es war anders als einfach einen Vortrag zu halten, da starke Emotionen, schmerzhafte Erinnerungen, aber auch Stolz an dieser Thematik haften. Deshalb war es umso wichtiger, die Vermittlungsrolle in einem geschützteren Raum für und von der Community zu übernehmen.
JA: Wie habt Ihr die von Euch geleitete Führung in der Ausstellung erlebt?
SN-K: Die Online-Führung war eine tolle Erfahrung, die vor allem durch die grandiosen Wortbeiträge der Teilnehmerinnen geprägt war. Es war sehr schön zu sehen, wie die vermittelten Inhalte eine Kette an Diskussionen, Anekdoten und Wissenstransfer aus den unterschiedlichen afrikanischen Herkunftsländern als auch Fragen auslösten. Das Museum wurde dadurch auch online lebendig.
GM: Die Führung im Museum war dialogisch ausgerichtet, so dass es viel Raum für Austausch und Diskussion gab. Insbesondere ließen uns die Teilnehmerinnen an den Geschichten ihrer Herkunftsländer im Zusammenhang mit der Thematik der Ausstellung teilnehmen. Wir sind uns einig, dass die Kolonialisierung tiefe Wunden hinterlassen hat, deren Auswirkungen wir sowohl auf dem afrikanischen Kontinent als auch hier in der Diaspora gemeinsam angehen müssen.
BF: Genau, ich fand die Geschichten und den Austausch über antikoloniale Widerstandskämpfe bspw. in Somalia, Kenia und Eritrea extrem wichtig. Ein daily reminder, dass diese Communities unterschiedlichste Widerstandsformen schon immer hatten und haben werden.
Bio
Sandrine Nraye-Kpoumie studierte im Grundstudium Soziologie an der Otto-Friedrich Universität in Bamberg. Aktuell befindet sie sich im Masterstudium Soziologie. Im Rahmen der Vereinsarbeit bei Kone e. V. erarbeitet sie Empowerment- und Antirassismus-Angebote für Schwarze Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene.
Gabriela Mayungu studierte Soziologie und Politikwissenschaft in Frankfurt am Main und hat einen Master in Diversität und Inklusion. Sie arbeitete als Antidiskriminierungstrainerin und als freie Mitarbeiterin in der außerschulischen Jugendbildung. Seit November 2021 arbeitet sie im Bereich Interkulturelles des Studierendenwerks Darmstadt. Zudem engagiert sie sich ehrenamtlich beim Kone-Netzwerk e. V.
Betelihem (Beti) Fisshaye/ ቤተሊሄም (ቤቲ) ፍስሃየ ist aufgewachsen in Addis Abeba, Äthiopien; Asmera, Eritrea und Frankfurt Main. Sie studierte Ethnologie und Empirische Sprachwissenschaften. Hauptsächlich politisiert durch die eigene Biografie und die Vereine „United for Eritrea“ (U4E) und „Initiative für Schwarze Menschen in Deutschland“ (ISD), engagiert sie sich bei Initiativen und Vereinen mit empowernden Ansätzen, die sich an BIPoCs richten.
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In „Places to see“ LABOR- Projekte erhalten interessierte Organisationen sowie Kulturinstitutionen die Möglichkeit, intensiver und längerfristiger zusammen zu arbeiten. Ideen sowie experimentelle Formate können entwickelt und erprobt werden.