ZUR GESCHICHTE DES WELTKULTUREN MUSEUMS

Anders als viele aus fürstlichen Kuriositätenkabinetten hervorgegangene Völkerkundemuseen ist das Frankfurter Museum eine Einrichtung, die von Bürgern für Bürger gegründet wurde. Seine Anfänge reichen in das Jahr 1817 zurück, das Gründungsjahr der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft. Diese legte neben naturwissenschaftlichen zunächst auch ethnografische Sammlungen an, die 1877 der Stadt Frankfurt übergeben wurden und im Historischen Museum eine eigene völkerkundliche Abteilung zugewiesen bekamen.

Am 22. Oktober 1904 wurde dann das „Städtische Völkermuseum“ im Gebäude Münzgasse 1 eröffnet. Museumsgründer und erster Museumsdirektor war Hofrat Dr. med. Bernhard Hagen (bis 1919). Wegen seiner schnell anwachsenden Sammlungen (1904: 4.000 Objekte; 1908: 16.000 Objekte) erhielt das Museum bereits nach vier Jahren ein neues Domizil.

Am 22. Oktober 1908 wurde das Museum in den weitläufigen Räumen des Palais Thurn und Taxis, Große Eschersheimer Str. 26 wiedereröffnet. Hier wurden die Ethnographika in einer permanenter Schau- und Studiensammlung sowie in einigen kleineren Sonderausstellungen (bis 1944 insgesamt 16 Stück) präsentiert.

1919 bis 1935 übernahm Dr. Johannes Lehmann, ehemaliger Assistent am Museum die kommissarische Leitung des Hauses.

1935 bis 1938 war Geheimrat Prof. Leo Frobenius Direktor des Museums. Die Sammlung umfasste zu diesem Zeitpunkt laut Übergabeprotokoll 30.075 Objekte. Zugleich war Frobenius Leiter des Forschungsinstituts für Kulturmorphologie. Eine Personalunion von Völkermuseum und Institut für Kulturmorphologie wurde eingeführt. Das Palais Thurn und Taxis wurde renoviert und entsprechend umgestaltet.

Nach Leo Frobenius Tod am 3. August 1938 übernahm Dr. Adolf Ellegard Jensen, ein Kustos des Museums die kommissarische Leitung (bis 1946).
Bis zum Zweiten Weltkrieg entwickelte sich das Haus zum meist besuchten Museum der Stadt Frankfurt.

1940 wurde das Museum für die Öffentlichkeit geschlossen.
Dr. Karin Hahn-Hissink, eine am Museum angestellte Ethnologin, veranlasste und organisierte die Auslagerung von 2/3 der Sammlungen des Museums an zehn sichere Orte in Thüringen, Franken und Bayern.

Durch Bombenangriffe im März 1944 wurde das Völkermuseum im Palais Thurn und Taxis mitsamt aller darin verbliebenen Ethnographika, dem Fotoarchiv, der Sammlungsdokumentation als auch der Forschungs- und Verwaltungsunterlagen zerstört. Lediglich die meisten Inventarbücher blieben erhalten. Dank der Initiative von Karin Hahn-Hissink blieben die ausgelagerten Objekte unversehrt.
In der Nachkriegszeit (ab 1944) lagen die Frankfurter Museen in Trümmern. Die geretteten Sammlungen waren in Kellern, Bunkern und Ausweichlagern untergebracht. Teile dieser Kulturschätze wurden in wechselnden Ausstellungen präsentiert. So zeigte auch das Städtische Völkermuseum innerhalb von 27 Jahren (1945-1972) 31 Ausstellungen an den unterschiedlichsten Orten innerhalb und außerhalb der Stadt Frankfurt. Diese Ausstellungen informierten über Forschungs- und Sammeltätigkeiten, die schon bald nach Kriegsende (ab den 1950er-Jahren) wieder aufgenommen wurden.

1946 wurde Prof. Dr. Adolf Ellegard Jensen zum Direktor ernannt. Bis 1965 leitete er in Personalunion das Museum, das Frobenius-Institut (früher Institut für Kulturmorphologie) und das neugegründete Seminar für Völkerkunde an der Johann Wolfgang Goethe-Universität.
Zu diesem Zeitpunkt wurde das Haus in „Städtisches Museum für Völkerkunde“ umbenannt.

Am 4. Juli 1954 wurde das 50-jährige Jubiläum des Museums gefeiert. Der Wunsch des damaligen Kulturdezernenten Dr. vom Rath mit einem Grundstück für einen späteren Neubau aufzuwarten, ließe sich trotz der Prüfung von zwanzig Projekten nicht verwirklichen.

In den 1960er-Jahren erhielt das Museum den Namen „Museum für Völkerkunde der Stadt Frankfurt am Main“.

1965 bis 1966 war Prof. Dr. Carl August Schmitz Direktor des Museums.

Prof. Dr. Hermann Niggemeyer übernahm ab 1966 die kommissarische Leitung des Hauses, bis er 1967 zum Direktor ernannt wurde.

1969 fand eine Trennung zwischen Frobenius-Institut und Museum statt. Letzteres wurde in eine Villa am Schaumainkai 29 umgesiedelt. Es kam zur 1. Planung eines Neubaus im Museumspark - zwischen der Villa 29 am Schaumainkai und dem sogenannten Kutscherhaus an der Metzelerstraße, worin seit dieser Zeit die Restaurierungswerkstätten untergebracht sind. Dieser Plan wurde nie realisiert und Anfang der 1980er-Jahre aufgegeben.

Von 1972 bis 1983 war Dr. Heinz Kelm Direktor des Museums.

Beeinflusst u.a. von der Studentenbewegung der 1960er-Jahre setzte ab den 1970er Jahren eine lebhafte Diskussion über zeitgemäße Aufgaben und Ziele der Institution Völkerkundemuseum ein. Daraufhin ließ sich die Ethnologie auch von der Soziologie inspirieren und der Bildungsauftrag im Museum für Völkerkunde der Stadt Frankfurt am Main wurde vor allem soziopolitisch verstanden.
Das Museum definierte sich bis in die 1980er-Jahre als Informationszentrum für die Dritte Welt, das in wechselnden Ausstellungen Geschichte und Lebensformen anderer Kulturen vorstellte und über ihre heutige Situation, vor allem über Probleme der Gegenwart informierte. Dabei wurden Besucher in den thematisch und regional begrenzten Ausstellungen stets auch mit der eigenen Gesellschaft konfrontiert, vor allem mit den zersetzenden Einflüssen von Imperialismus und Neoimperialismus auf Kultur und Wirtschaftsform der Völker der sogenannten Dritten Welt. Man legte großen Wert darauf, soziale Zusammenhänge in den Ausstellungen kritisch zu beleuchten. Es ging in jener Zeit vor allem auch um eine radikale Abkehr von „verstaubten Vitrinen“ und realitätsfernen Inszenierungen, die die meisten ethnologischen Museen jener Zeit charakterisierten.

1983 wurde Dr. Johanna Agthe, Kustodin des Museums, Abteilung Afrika (bis 1985) kommissarische Direktorin.

Von 1985 bis 1999 war Prof. Dr. Josef Franz Thiel Direktor des Museums.
Ab Mitte der 1980er-Jahren verabschiedete man sich im Museum für Völkerkunde Frankfurt von dem Konzept der 1970er-Jahre, d.h. der primär sozio-politischen Ausstellung, die sich in ihrer Gestaltung einer sinnlichen Annährung vehement verwehrte. Neue Ansätze, Themen und auch neue Ausstellungsprojekte wurden realisiert.
Fragestellungen der Religionsethnologie, der Mythenforschung, aber auch das Phänomen der Xenophobie wurden erstmals in kulturvergleichenden Ausstellungen dargestellt und Hintergründe kritisch beleuchtet. Außerdem wurde die zeitgenössische Kunst als neuer Sammlungsschwerpunkt eingeführt, obwohl man sich in der museumsethnologischen Diskussion damals noch längst nicht einig war, ob diese für ein ethnologisches Museum überhaupt „sammel- und ausstellungswürdig“ sei.

Zwischen 1985 und 1992 fanden die 2. und 3. Planung eines Neubaus für die Völkerkunde im Museumspark statt. Das inhaltliche Konzept für den Neubau war bis ins Detail fertiggestellt und die Auswahl der Exponate pro Raum bereits getroffen worden. Trotz intensiver Vorarbeiten wurde der Neubau wegen fehlender Gelder nicht realisiert.

Ausgehend von den in der Sammlung vorhandenen historischen ethnographischen Fotografien, baute Prof. Dr. Josef Franz Thiel systematisch ein Bildarchiv des Museums auf. Seit der Gründung des Archivs im Jahre 1987 ist der Bestand durch Schenkungen, Nachlässe, vor allem aber durch kontinuierliche Neuankäufe ständig angewachsen.

1987 wurde in der Kunsthalle Schirn Frankfurt am Main die größte Ausstellung des Museums nach 1945 eröffnet. Unter dem Titel „Neuguinea. Nutzung und Deutung der Umwelt“ wurden vor allem Objekte präsentiert, die das Museum wegen ihrer Höhe, Länge und Breite in der Villa am Schaumainkai den Bürgern Frankfurts niemals hätte zeigen können.

In den 1990er-Jahren erfolgte dann eine Erweiterung des Museums um die Villen Schaumainkai 35 und 37, die in der Folge ebenso wie die Werkstätten im Kutscherhaus komplett renoviert wurden. Einige Jahre später wurde erneut eine Ausstellungshalle für die Ethnologie nach dem Entwurf des Künstlers Claus Bury geplant (4. Planung).

1993 wurde der Freundeskreis des Weltkulturen Museums e.V. gegründet. Er begleitet und fördert die vielfältigen Aktivitäten des Hauses.

1997 wurde die Galerie 37 eröffnet. Somit konnten in der Villa Schaumainkai 37 in wechselnden Ausstellungen zeitgenössische Werke von Künstlern aus den Ländern Afrikas, Asiens, Ozeaniens und Amerikas gemeinsam mit historischen Sammlungsobjekten gezeigt werden. Mit diesem Programm der Darstellung und Förderung kultureller Identitäten wurde das Projekt der Galerie 37 von der UNESCO als Beitrag zur Weltdekade für kulturelle Entwicklung anerkannt.

Von 1997 bis 1998 blieb das Haupthaus des Museums (Schaumainkai 29) wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Im Oktober 1998 wurde es mit der Ausstellung „Talofa! Samoa, Südsee“ wiedereröffnet.
Die Außenfassaden der Villen Schaumainkai 35 und 37 wurden zwischen 1988 und 2000 renoviert.

Ab 1999 übernahm erneut Dr. Johanna Agthe, Kustodin des Museums, Abteilung Afrika, die Kommissarische Leitung des Hauses.

Im Jahre 2000 wurde Dr. Anette Rein Direktorin des Museums (bis 2008).
Das Interkulturelle Atelier (IKAT) wurde als eigene museumspädagogische Abteilung gegründet.

2001 wurde das Museum in „Museum der Weltkulturen“ umbenannt.
In Ausstellungen und Veranstaltungen wurden Themen wie Sinn des Lebens, Tod, Abstammung, Geschlecht und Alter unter einem kritischen Blickwinkel aufgegriffen.
Es kam zur 5. Planung einer Ausstellungshalle für das Museum. Auch diese wurde nicht realisiert.
Trotz seines Domizils am südlichen Mainufer setzte das Museum die Tradition fort, seine Sammlungen an verschiedenen Orten im In- und Ausland zu zeigen – zwischen 1975 und 2004 in insgesamt 39 kleineren und größeren Ausstellungen.

2003 wurde das online Magazin „Journal Ethnologie“ vom Museum der Weltkulturen ins Leben gerufen (herausgegeben von Ulrike Krasberg - Konzeption, Projektleitung und Redaktion von 2003 bis 2009). Hier wurden unter den Rubriken „Aktuelle Themen“, „Weltmusik“, „Interview“, „Ausstellungen“ und „Medien“ Beiträge von EthnologInnen und KulturwissenschaftlerInnen in einer allgemein verständlichen Sprache veröffentlicht. www.journal-ethnologie.de

2004 entbrannte die Diskussion um einen Neubau (6. Planung) erneut. Vorgesehen waren Ausstellungsflächen in Kombination mit einem Parkhaus unter dem Main, die ebenfalls nicht realisiert wurden.

Am 22. Oktober 2004 wurde das 100-jährige Jubiläum des Museums gefeiert. Aus diesem Anlass öffnete das Museum der Weltkulturen den für Besucher sonst verschlossenen Bereich der museumseigenen Sammlung und präsentierte daraus ausgewählte Exponate in der Ausstellung „Ansichtssachen aus 100 Jahren. Museum der Weltkulturen Frankfurt am Main“

2008 bis 2010 übernahm Dr. Christine Stelzig, Kustodin des Museums, Abteilung Afrika die Kommissarische Leitung des Museums.

2010 wurde Dr. Clémentine Deliss zur Direktorin des Museums ernannt. Seit dem ist das Haus unter dem Namen „Weltkulturen Museum“ bekannt.

Zum 7. Mal wurde ein Erweiterungsbau des Weltkulturen Museums geplant. Den Wettbewerb gewann das Berliner Architektenbüro Kuehn Malvezzi, dessen Entwurf dem Museum als zukunftsweisende Ausstellungs-, Bildungs-, Forschungs- und Produktionsstätte ideale räumliche Voraussetzungen bietet. Auch dieses Vorhaben wurde nicht realisiert.Aufgrund der aktuellen Haushaltslage musste das Vorhaben für einen Erweiterungsbau des Weltkulturen Museums verschoben werden. Das Museum wird versuchen, einige der großformatigen Schätze seiner Sammlung auch außerhalb seiner begrenzten Räumlichkeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren.

2011 wurden die drei Villen am Schaumainkai renoviert.

Am 4. Februar 2011 wurde das Weltkulturen Labor in der Villa Schaumainkai 37 eröffnet. Hier befinden sich Ausstellungsflächen der Projekt- und Ausstellungsraum Green Room, der Veranstaltungsraum, Gästewohnungen, Ateliers und die Sammlung Visuelle Anthropologie.

Die erste Ausstellung „DAN REES“ im Green Room des Weltkulturen Labors wurde am 19. April 2011 eröffnet. Seit dem wurden dort zahlreiche Ausstellungen gezeigt.

Am 25. Januar 2012 wurde die Villa Schaumainkai 29 mit der programmatischen Ausstellung „OBJEKT ATLAS – Feldforschung im Museum“ wiedereröffnet. Im zweiten Obergeschoss des Gebäudes befindet sich die Weltkulturen Vermittlung.

Im Mai 2015 übernahm Dr. Eva Ch. Raabe, Kustodin des Museums, Abteilung Ozeanien, die kommissarische Leitung des Museums.

Im September 2019 wurde Dr. Eva Ch. Raabe zur Direktorin des Museums ernannt. Seit Januar 2024 leitet Dr. Mona Suhrbier das Museum kommissarisch.


Direktorinnen und Direktoren

Dr. Mona Suhrbier, Kommissarische Leitung seit 2024

Dr. Eva Ch. Raabe, Kommissarische Leitung 2015 - 2019, Direktorin 2019 - 2023
Dr. Clémentine Deliss, Direktorin 2010 - 2015
Dr. Christine Stelzig, Kommissarische Leitung 2008 – 2010
Dr. Anette Rein, Direktorin 2000 – 2008
Dr. Johanna Agthe, Kommissarische Leitung 1998 - 2000
Prof. Dr. J. F. Thiel, Direktor 1985 – 1998
Dr. Johanna Agthe, Kommissarische Leitung 1984 – 1985
Dr. Heinz Kelm, Direktor 1972 – 1983
Prof. Dr. Hermann Niggemeyer, Direktor 1966 – 1971
Prof. Dr. Carl A. Schmitz, Direktor 1965 – 1966
Prof. Dr. Adolf E. Jensen, Direktor 1946 – 1965
Dr. Karin Hahn-Hissink, Kommissarische Leitung 1940 – 1945
Dr. Adolf E. Jensen, Kommissarische Leitung 1938 – 1939
Prof. Dr. Leo Frobenius, Direktor 1934 – 1938
Dr. Johannes Lehmann, Kommissarische Leitung 1919 – 1934
Dr. Bernhard Hagen, Direktor 1904 – 1919


Literatur

- Johanna Agthe,1994, „Geschichte des Museums für Völkerkunde Frankfurt“, unveröffentlichtes Manuskript.
- Museum der Weltkulturen, 2004, „Ansichtssachen. Ein Lesebuch zu Museum und Ethnologie in Frankfurt am Main“.
- Hilmar Hoffmann, 2009, „Das Frankfurter Museumsufer“.