Bali. Leben in zwei Welten.
Risse oder Sprünge haben sich heute aufgetan im Ferienparadies Bali, das Jahr für Jahr Millionen von Touristen anzieht. Spannungsreiche und vielfältige Kontraste zwischen Tradition und Moderne sucht der Fotograf Rama Surya auf seinen Schwarz-Weiß-Bildern einzufangen. Dabei lenkt er den Blick u.a. auf zerstörte Landschaften: ein Hindupriester steht vor einer weiten Fläche ausgetrockneter Erde (als Folge eines modernen Entwässerungsprojektes).
Rama Surya porträtiert Menschen - immer wieder Menschen, z.B. ein junges balinesische Paar, das auf Kundschaft für Glücksspiel und Prostitution wartet. Oder er fotografiert durch die Auslage eines offenen Ladens, d.h. zwischen ausgestellten Büsten mit Miederware hindurch, eine vorüberziehende Prozession balinesischer Frauen in traditioneller Tracht. Eine Touristin in knappem Bikini bei einer Schönheitsbehandlung durch balinesische Frauen, die vor einer Karaoke-Bar stattfindet, fasziniert ebenso wie das Porträt einer Balinesin, die als kostbares Gut geweihtes Wasser in einer Cola-Flasche vor sich her trägt.
Kritisch, kontrastreich und zu Teilen auch witzig sind die Fotografien von Rama Surya, der aus der Sicht eines aus West-Sumatra stammenden Minangkabau (die Minangkabau gehören dem islamischen Glauben an) seine hinduistische Wahlheimat Bali in all ihrer Widersprüchlichkeit dokumentiert. Seine Schwarz-Weiss-Fotografien widersprechen in ihren Aussagen diametral den touristischen Hochglanzprospekten, die Bali in leuchtend-bunten Farben als Insel der Götter und tropisches Paradies anpreisen. Es ist gleichsam der doppelte Blick - d.h. die Außen- und Binnensicht Rama Suryas - die beim Betrachten seiner Bilder auffällt und fasziniert.
Die Ausstellung "Bali. Leben in zwei Welten" wurde (zu Teilen) vom Museum der Kulturen Basel übernommen. Sie zeigt insgesamt 35 Werke des Fotografen Rama Surya. Diese werden ergänzt durch zehn ausgewählte Fotografien aus den 1920er und 1930er Jahren wie auch durch ethnografische Objekte aus dem Bestand des Frankfurter Museums der Weltkulturen, die einen unmittelbaren Bezug zu den Fotografien Rama Suryas aufweisen. Ziel hierbei ist, Tendenzen des Kulturwandels in der balinesischen Gesellschaft zu verdeutlichen.
Der Künstler
Rama Surya wurde im Jahre 1970 in Bukittinggi, West-Sumatra, geboren. 1990 fand er zur Fotografie. Von 1993 bis 1994 arbeitete er als Fotograf des bekannten Jugendmagazins HAI und beim renommierten Fotomedia-Magazin, beide in Jakarta. Seit dem Jahre 2000 ist er Foto-Editor des Latitudes Magazine (Bali). Nach Abschluss eines Journalistikstudiums am Dr. Soetomo Institut in Jakarta (1995) publizierte Rama Surya seinen viel beachteten Foto-Essay Yang Kuat Yang Kalah ("Die Kräftigen sind die Geschlagenen"), der 1996 in Indonesien publiziert wurde. Weitere Foto-Essays folgten, darunter eine Reportage über die Waldbrände in Ost-Kalimantan (Borneo), die den jungen Fotografen auch in Europa bekannt machte und auf den Bieler Fototagen 1998 in der Schweiz ausgestellt wurde. Seine Arbeit über die "Yogyakarta Street Mythology" wurde im Jahre 2000 in der Galerie des Nikon Image House in Küsnacht bei Zürich ausgestellt, zwei Jahre nachdem Rama Surya vom deutschen fotoMAGAZIN das Prädikat "Fotograf des Jahres 1997" erhalten hatte. Rama Surya lebt heute mit seiner Frau, der Schriftstellerin Susi Andrini, und seinen beiden Kindern in Sanur, Bali. Für sein Bali-Projekt benötigte er acht Monate, rund 300 Filmrollen Kodak Tri-X 400 und T Max 3200 sowie zwei Kameras: eine Leica M6 mit Summicron Asph. 35 mm-Objektiv und eine Leica R6 mit 60 mm Micro-Objektiv.
Die 16 Autorinnen und Autoren des Buches stammen aus Bali. Sie sind repräsentativ für eine jüngere, an indonesischen und ausländischen Universitäten ausgebildete Generation von Intellektuellen, die ein Bewusstsein der kritischen Distanz zur eigenen Kultur gewonnen haben und diese in ihren unterschiedlichen Beiträgen auch sehr deutlich zum Ausdruck bringen. Diese Distanz macht selbstkritische Fragen erst möglich. Sie erlaubt zugleich auch eine engagierte Analyse beider Welten, in denen sich das Leben auf Bali heutzutage bewegt und aus deren Spannungsverhältnis sich zahlreiche Gegenwartskonflikte, aber auch Chancen für die Zukunft und für eine Neudefinition balinesischer Identität und Modernität ergeben.