TRACES. Transmitting Contentious Cultural Heritages with the Arts
ein Projekt von Julia Albrecht, Bea Barrois, Stephanie Endter, Nora Landkammer, Berit Mohr, Esther Poppe, Kristina Rüger, Karin Schneider, Nora Schön und Anton Zscherpe.
»Wenn das Museum ein Ort ist, der aus einer Aneignung der Welt von Europa aus entstanden ist, mit der man sich heute kritisch beschäftigt, dann kann er auch ein Ort für das Verlernen dieses europäischen Weltbildes sein.«
Das Team der Bildung und Vermittlung am Frankfurter Weltkulturen Museum hat über einen Zeitraum von zwei Jahren in Zusammenarbeit mit Nora Landkammer und Karin Schneider vom Institute for Art Education der ZHdK eine Aktionsforschung durchgeführt. Die Ergebnisse der Forschung wurden in einer Online-Publikation veröffentlicht.
Im Mittelpunkt stand der Umgang mit dem kolonialen Erbe der Sammlung, der Institution und ihrer Vermittlung. Unter diesem Fokus hat das Team die eigene Praxis reflektiert, erprobt, verändert, analysiert und wieder neu erprobt. Einige Teammitglieder beschäftigten sich mit alltäglichen Arbeitsweisen der Vermittlung wie Führungen in Ausstellungen oder Schulklassenworkshops und veränderten diese entlang einer bestimmten Fragestellung; andere entwickelten neue, experimentelle Formen der Vermittlung im Weltkulturen Museum, untersuchten diese und erarbeiteten daraus Vorschläge und Fragen an Vermittlungspraxen. Leitend für die Reflexion waren folgende Fragen:
• Wie kann die Vermittlung von konfliktbehaftetem Kulturgut selbst Räume für Konflikt und Aushandlungsprozesse schaffen?
• Wie kann ein pädagogisches Setting dem Dissens und unterschiedlichen Positionalitäten Raum geben, während Vermittler*innen zugleich Verantwortung dafür wahrnehmen, dass Gewalt und Ausschluss nicht einfach wiederholt werden?
• Wie kann sich der/die Vermittler*in klar positionieren, aber doch eine Haltung des Verlernens einnehmen, ist sie/er doch selbst in die Machtverhältnisse eingebunden, die auf dem Spiel stehen?
Zentral für die thematische Auseinandersetzung waren regelmäßige ein- bis zweitägige Workshops, zu denen verschiedene Akteur*innen der rassismuskritischen und dekolonialen Bildungsarbeit für Inputs, Beratung, Workshops und einen Stadtrundgang eingeladen wurden. Zugleich wurden in diesen Workshops die Forschungsprotokolle und Forschungsergebnisse kollektiv analysiert und diskutiert.
Neben den reflexiven Texten enthält die Publikation auch Arbeitsmaterialien für die Vermittlungspraxis und ihre Reflexion, die in den Erprobungen zum Einsatz kamen. So ist bspw. eine Zeitleiste zum Thema „Kolonialismus und Deutschland“ für den Workshop „Was macht das hier?“ entwickelt worden, in dem sich Jugendliche mit Fragen nach Erwerbsgeschichte, Eigentum und Ansprüchen auf Kulturgut in Museumssammlungen auseinandersetzen. Oder auch ein Fragenkatalog, der als Unterstützung für Vermittler*innen gedacht ist, um sich einer Ausstellung anzunähern, mögliche thematische Anknüpfungspunkte zu finden und eine Haltung gegenüber der Ausstellung zu entwickeln. Darüber hinaus wurden im Forschungsteam Arbeitsprinzipien diskutiert und formuliert. Auch wenn sie ein Stück weit als visionär zu betrachten sind, so dienen sie als Möglichkeitshorizont und sich ständig entwickelnde Diskussionsgrundlage.
Ergänzend wurden wichtige pädagogische, wissenschaftliche und künstlerische Positionen und existierende Ressourcen für die Weiterbildung im Kontext von Vermittlungsarbeit in Museen mit kolonialen Sammlungsbeständen zusammengetragen. Die Materialien richten sich an Vermittler*innen, die ihre Praxis reflektieren und weiterentwickeln möchten, und können Anregungen für eigene Erprobungen in der Praxis bieten.
Die Autorinnen, sind Vermittler*innen des Weltkulturen Museums und Mitarbeiterinnen des Institute for Art Education der Zürcher Hochschule der Künste:Julia Albrecht, Bea Barrois, Stephanie Endter, Nora Landkammer, Berit Mohr, Esther Poppe, Kristina Rüger, Karin Schneider, Nora Schön und Anton Zscherpe
Dank an Deborah Krieg (Bildungsstätte Anne Frank), frankfurt postkolonial, Nadine Golly und Laura Digoh (Karfi) für das Teilen ihrer Erkenntnisse und die kritische Begleitung. Und herzlichen Dank auch das Team des Weltkulturen Museums für die Unterstützung beim Forschungsprojekt und der Vorbereitung dieser Publikation.
Die Publikation ist hier online abrufbar.
„Das Museum als Ort des Verlernens? Materialien und Reflexionen zur Vermittlung am Weltkulturen Museum“ wurde im Rahmen des “Work Package Education and Stakeholder Invovement” des Projekts TRACES durchgeführt hat. Als dreijähriges, von der EU (Horizon 2020) gefördertes Projekt entwickelte TRACES neue Formen der Auseinandersetzung mit konfliktbeladenem kulturellem Erbe (contentious cultural heritage).
Weitere Informationen zu TRACES finden Sie hier.